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22.06.2025
«Krainer Würste» und Sozialismus
Der Jahrhundertpolitiker Robert Grimm auf Gesellenwanderung
Der Druckergeselle und Maschinenmeister Robert Grimm (1881-1951) aus Wald ZH war zwei Jahre auf Gesellenwanderung. Dabei lernte er auch Herbergen und Bierkeller im Habsburgerreich kennen.
Neben dem aus Breslau in die Schweiz eigewanderten Hermann Greulich war der gebürtige Zürcher Oberländer Robert Grimm zweifellos der wichtigste männliche schweizerische sozialdemokratische Arbeiterführer des beginnenden 20. Jahrhunderts.
Im Jahre 1881 als Sohn eines Fabrikschlossers und einer Weberin am Tüllrosweg 10 auf dem Gelände der ehemaligen Baumwollweberei Jacob Oberholzer im bedeutenden Fabrikdorf Wald geboren, absolvierte Robert Grimm nach zwei Jahren Sekundarschule und einem erzwungenen Aufenthalt (Tuberkulose?) im Sanatorium Wald eine Lehre als Drucker und Maschinenmeister in Zürich.
Er lebte im Haus des Meisters, damals noch keine Seltenheit. Dort lernte er die Grundlagen seines Handwerks, machte erste Versuche als Journalist und kam mit radikalen sozialdemokratischen Ideen in Berührung.
Bald war Grimm auch Mitglied das «Schweizerischen Typographenbundes» (STB), einer traditionsreichen, aber kämpferischen Gewerkschaft. Robert Grimm gehörte zur letzten Generation angehender Handwerker, die noch auf die «Walz» (=Gesellenwanderung) gingen.
Die Robert-Grimm-Gesellschaft, die sich um das Andenken des grossen Politikers (Nationalrat, Regierungsrat Kanton Bern, Präsidium SPS Kanton Bern), Organisators (Kientaler Konferenz, Zimmerwalder Konferenz, Oltener Aktionskomitee 1918, Generalstreik) liess in diesen Tagen durch Bernard Degen und Andreas Berz das bisher wenig bekannte Reisetagebuch der Gesellenwanderung Robert Grimms 1900-1902 edieren (Chronos-Verlag Zürich).
Es ist ein schmaler, aber gelungener, spannender Band, der einen unmittelbaren Einblick in die abenteuerliche Lebenswelt eines sich rasch politisierenden, aber auch körperlich darbenden Druckergesellen auf seiner mühseligen, von Armut, Hunger, Durst, Nässe, Kerker geprägten Wanderschaft durch Habsburg-Österreich und kleinen Teilen Norditaliens liefert.
Hunger im spärlichen Gepäck
Essen und Trinken sind dabei wichtige Themen, da Verpflegung rar und oft Wunschdenken war. Ob eine «Krainer Wurst» oder ein «Krug Bier», meist reiste der Hunger mit im spärlichen Gepäck der «Tippelbrüder» oder «Kunden», die sich manchmal nur wenig von Bettlern unterschieden, aber sich in Tat und Wahrheit um jeden Preis von «Vagabunden» unterscheiden wollten.
Robert Grimm mochte es manchmal feuchtfröhlich und trank dann gemeinsam mit Mitgesellen ausgiebig Alkohol in Wirtshäusern, manchmal lebte er indessen auch strikt und bewusst «abstinent», denn der Alkoholismus grassierte um das Epochenjahr 1900 und galt der sich schnell organsierenden, sozialdemokratischen, sozialistischen Arbeiterschaft bisweilen als «Klassenfeind».
In Graz, der Hauptstadt der Steiermark, wo er einige Monate bei einer Arbeiterzeitung als Drucker arbeitete, traf sich Robert Grimm mit Gesinnungsgenossen im «Café International». Dort politisierten diese, tauschten die neuesten Theorien und Ideen aus, spielten aber auch Karten, Schach und sangen. Das «International» war ein richtiger zentraler Treffpunkt für die organisierten Arbeiterinnen und Arbeiter.
Um ihren Unterhalt auch bei Arbeitslosigkeit zu bestreiten, wurden Grimm von der Gewerkschaft mit einem «Viatikum» (Wegzehrung) oder vom Staat in so genannten «Naturalverpflegungsstationen» unterstützt.
Tippelbrüder helfen sich
Manchmal erbettelten sie sie auch ein paar Heller, dieses Geld wurde dann in «Krainer Würste» oder auch Wein und Bier umgesetzt. So manch ein mitleidiger Wirt spendierte den «Tippelbrüdern» auch einen «Krug Bier». Gemeinsam spielte man dann eine Runde Billard und redete über lokale Verhältnisse. Zum Morgenessen nahm man gerne schwarzen Kaffee und ein möglichst grosses Stück Schwarzbrot zu sich.
War ein Mitgeselle ausnahmsweise gut bei Kasse, war er geheissen, seinen Tippelbrüdern Bier oder Wein zu spendieren. Man half sich gegenseitig aus der Patsche, war füreinander da (Mutualismus). Darin liegen auch Ursprünge des Grimmschen «Handwerkersozialismus».
Die Herbergen waren nicht immer im besten Zustand. Manchmal gab es sogar Wanzen oder Flöhe. Manchmal war es aber auch sehr sauber und überraschend gepflegt. Das konnten die Wandergesellen von aussen nur schwer erkennen und waren oftmals überrascht von der Qualität der doch recht günstigen Unterkunft.
Sie tauschten vor dem Einschlafen noch Erlebnisse aus. Robert Grimm versuchte dann gerne, seine Mitgesellen von den Segnungen des Sozialismus zu überzeugen. Dies dürfte dem rhetorisch gewandten Mann das eine oder andere Mal auch gelungen sein.
Grimm, Robert. Von meiner Gesellenwanderung (1900-1902). Aufzeichnungen des bedeutenden Politikers als junger Mann. Herausgegeben und kommentiert von Andreas Berz und Bernard Degen. Zürich: Chronos-Verlag 2025.
Dr. phil. Fabian Brändle, Historiker und Volksschriftsteller, Wil SG
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Bild: Robert-Grimm-Gesellschaft / robertgrimm.ch
Dossier: Geschichte
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